Digitale Barrierefreiheit: Ein Leitfaden für barrierefreie Webseiten und Dienstleistungen

In der heutigen digitalen Welt ist Barrierefreiheit mehr als nur ein Nice-to-have – sie ist eine Notwendigkeit. Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass Webseiten, Anwendungen und digitale Inhalte für alle Menschen zugänglich und nutzbar sind, unabhängig von ihren körperlichen oder geistigen Fähigkeiten. Dieser Blogbeitrag zielt darauf ab, ein umfassendes Verständnis von digitaler Barrierefreiheit zu vermitteln, die gesetzlichen Anforderungen zu erläutern und praktische Tipps zur Umsetzung bereitzustellen.

Barrieren im Alltag

Im täglichen Leben stoßen Menschen mit Behinderungen auf verschiedene Hindernisse. Zum Beispiel haben etwa 1% aller Männer eine vollständige Grünblindheit, während dies bei Frauen nur etwa 0,1% betrifft. Solche Einschränkungen beeinflussen, wie Menschen digitale Inhalte wahrnehmen und mit ihnen interagieren können.

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) setzt die Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/882, auch bekannt als European Accessibility Act (EAA), um. Das Gesetz tritt am 28. Juni 2025 vollständig in Kraft und legt in Deutschland die Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen fest. Diese umfassen:

  • Smartphones und Smart-TVs
  • Bank- und Fahrkartenautomaten
  • E-Book-Lesegeräte
  • Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr, einschließlich Bankdienstleistungen

Verstöße gegen das BFSG können mit Bußgeldern von bis zu 100.000 Euro geahndet werden.

90.000€ fine not accessible website

Wer ist betroffen?

Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro, die Dienstleistungen anbieten oder erbringen, sind vom BFSG ausgenommen. Dienstleistungen, die ausschließlich im B2B-Bereich angeboten werden, sind ebenfalls nicht betroffen. Für Online-Shops und andere Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr gelten jedoch spezifische Anforderungen.

Definition von Barrierefreiheit

Produkte und Dienstleistungen gelten als barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Dies umfasst die Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit der Inhalte und Funktionen.

Umsetzung der Barrierefreiheit

Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)

Die WCAG bieten einen internationalen Standard für die Barrierefreiheit von Webinhalten. Die aktuellen Versionen sind WCAG 2.1 (seit 2022) und WCAG 2.2 (seit 2023). Der WCAG 3 Draft ist unter https://www.w3.org/WAI/standards-guidelines/wcag/wcag3-intro/ einsehbar. Die wichtigsten Prinzipien der WCAG umfassen:

  • Wahrnehmbarkeit: Inhalte müssen den Sinnen der Benutzer zugänglich sein.
  • Bedienbarkeit: Benutzer müssen in der Lage sein, die Schnittstelle zu bedienen.
  • Verständlichkeit: Inhalte und Bedienung müssen verständlich sein.
  • Robustheit: Inhalte müssen von einer Vielzahl von Benutzeragenten, einschließlich assistiver Technologien, interpretierbar sein.

Konkrete Maßnahmen

  1. Wahrnehmbarkeit:
    • Textalternativen für alle Nicht-Text-Inhalte bereitstellen.
    • Untertitel und Gebärdensprache für Videos.
    • Alternativtexte für Bilder.
    • Transkriptionen für zeitbasierte Medien.
    • Einfache Layouts und ausreichender Kontrast (mindestens 4,5:1).
  2. Bedienbarkeit:
    • Ausreichend Zeit zum Lesen und Verwenden der Inhalte.
    • Navigation mit klarer Fokusreihenfolge, Seitentiteln und beschreibenden Linktexten.
    • Tastaturzugänglichkeit und alternative Eingabemethoden wie Spracheingabe.
    • Skalierbare Schriftgrößen und anpassbare Layouts.
  3. Verständlichkeit:
    • Automatische Erkennung der Sprache.
    • Mechanismen zur Erklärung von Fachbegriffen und Abkürzungen.
    • Einfache und klare Sprache mit kurzen Absätzen, Listen und Tabellen.
    • Konsistente Navigation und Benutzerführung.
    • Fehlererkennung und Hilfestellung bei Eingabefeldern.

Tools zum Testen

Es gibt verschiedene Tools, um die Barrierefreiheit von Webseiten und Anwendungen zu testen:

Google Lighthouse Report
Accessible Color Palette Example
  • Playwright: Automatisiertes Testen in CI-Pipelines.

Semantische HTML-Elemente und ARIA

Semantische HTML-Elemente und ARIA (Accessible Rich Internet Applications) sind entscheidend für die Barrierefreiheit:

HTML-Semantik: Verwendung von <aside>, <article>, <nav>, <header>, <footer> und anderen Elementen, um die Struktur und Bedeutung von Inhalten zu vermitteln

<html>
  <head> . . . </head>
  <body>
    <header>
      <nav>
        <ul>
          <li>Home</li>
         </ul>
      </nav>
      <h1>Willkommen</h1>
    </header>
    <article>
      <header>
        <h2>Der Titel der Abteilung</h2>
        <p>Der Absatz des Textes.</p>
      </header>
    </article>
  </body>
</html>

ARIA: Bietet zusätzliche Attribute, um die Barrierefreiheit von Webanwendungen zu verbessern, indem sie die Interaktion mit assistiven Technologien erleichtern.

Progressive Enhancement: Strategie im Webdesign, dass Basisinhalte einer Website unabhängig von Browsertechnologie, Internetverbindung oder Art des Endgeräts dargestellt werden können

Vorteile der Barrierefreiheit

Die Umsetzung digitaler Barrierefreiheit bietet zahlreiche Vorteile:

  • Erweiterung der Zielgruppe: Barrierefreie Inhalte sind für mehr Menschen zugänglich.
  • Höhere Conversionrate: Benutzerfreundliche Webseiten führen zu höheren Konversionsraten.
  • SEO: Barrierefreiheit ist auch für Suchmaschinenoptimierung von Bedeutung.
  • Anstieg der Besucherzahlen: Barrierefreie Webseiten ziehen mehr Besucher an.
  • Brand-Building: Unternehmen, die Barrierefreiheit umsetzen, positionieren sich als inklusiv und verantwortungsbewusst.

Fragen und Diskussion

Für weiterführende Informationen und Diskussionen zur digitalen Barrierefreiheit stehen zahlreiche Ressourcen zur Verfügung:

  • Bundesfachstelle Barrierefreiheit: Informationen und Umsetzungshilfen
  • WCAG-Übersetzungen und -Dokumentationen
  • Entwicklerressourcen von Chrome und anderen Plattformen
  • Checklisten und Anleitungen zur Umsetzung barrierefreier Webseiten

Quellen:

https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Fachwissen/Produkte-und-Dienstleistungen/European-Accessibility-Act/european-accessibility-act_node.html

https://outline-rocks.github.io/wcag/translations/WCAG21-de

https://developer.chrome.com/docs/accessibility?hl=de

https://www.barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de/Webs/PB/DE/umsetzungshilfen/checklisten/checklisten.html

https://wp-panda.de/barrierefreie-website-definition-anforderungen-und-checkliste

https://www.accessibilitychecker.org/guides/accessibility-seo-impact-study

Fazit

Digitale Barrierefreiheit ist ein wichtiger Aspekt der modernen Webentwicklung und ein gesetzliches Muss für viele Unternehmen. Die Einhaltung der WCAG und des BFSG kann nicht nur rechtliche Konsequenzen vermeiden, sondern auch die Reichweite und Benutzerfreundlichkeit Ihrer digitalen Inhalte erheblich verbessern. Durch die Integration von Barrierefreiheit in Ihre digitalen Strategien schaffen Sie eine inklusivere und zugänglichere Online-Welt.